Skip to content

Karibu tena – Herzlich willkommen!

Zum ersten Mal besucht eine Gruppe Schüler/innen aus Iambi das SHG!

Nach langen und nicht ganz einfachen Vorbereitungen (Sponsorenlauf, Förderanträge, Pässe, Visa etc.) war es am Donnerstag, dem 12.09.2019, endlich so weit: Wir konnten unsere Gäste aus Iambi, Tansania, am Flughafen in Hannover in Empfang nehmen.

Wir hatten ein strammes, aber abwechslungsreiches und interessantes Programm für den Besuch vorbereitet:

Freitag: Empfang in der Schule, im Rathaus und ein erster Stadtrundgang in Hildesheim, Samstag/Sonntag: Zeit in den Gastfamilien mit Gottesdienst in der Lukaskirche Ochtersum, Montagnachmittag bis Freitag: Exkursion nach Berlin (siehe: Auf Spurensuche in Berlin – Spuren der deutschen Kolonialzeit), Samstag/Sonntag: Zeit in den Gastfamilien, Montag bis Samstag: Vorbereitung der Plakate und Präsentationen für den „Iambiabend“und die „Eine-Welt-Woche“


„Deutsch-tansanische Beziehungen im historischen Kontext – vom Kolonialismus bis heute“

Was wissen die Schüler und Schülerinnen aus Deutschland und Tansania über die Geschichte des jeweiligen Gegenübers und seines Landes? Obwohl die Partnerschaft zwischen dem Scharnhostgymnasium Hildesheim und der Iambi Secondary School bereits seit 1985 besteht, wurde im Rahmen unserer bisherigen Projekte die gemeinsame historische Vergangenheit noch nicht thematisiert.

Besonders augenscheinlich zeigte sich dies bei unserer letzten Begegnung im Sommer 2018 in Iambi. Verschiedentlich kam bei den Gesprächen zwischen den deutschen und tansanischen Jugendlichen die Sprache auf die gemeinsame Vergangenheit der beiden Länder, viele Fragen wurden aufgeworfen und konnten auch nach längeren Diskussionen nicht immer zufriedenstellend beantwortet werden. Ein anschließender Blick in die tansanischen Geschichtsbücher zeigte eine recht einseitig positive Darstellung des Themas „Kolonialismus“, und auch die deutschen Schüler und Schülerinnen waren durch ihr in der Schule erworbenes Wissen nur begrenzt aussagefähig und mit der plötzlichen Konfrontation mit diesem Teil der deutschen Geschichte auch teilweise überfordert – eine für beide Seiten nicht akzeptable Situation.

Vor diesem Hintergrund entstand unsere Projektidee: Die Schüler und Schülerinnen setzen sich unter dem Projekttitel „Deutsch-tansanische Beziehungen im historischen Kontext – Vom Kolonialismus bis heute“ vertiefend mit der deutsch-tansanischen Geschichte auseinander. Besonders in den Blick genommen werden das Zeitalter des Kolonialismus, die Frage, inwieweit sich bis heute Spuren dieser kolonialen Vergangenheit finden lassen und wie heute und in Zukunft mit diesem Teil der Geschichte umgegangen werden sollte. Auch die aktuell viel diskutierten Fragen um Provenienzforschung und die Restitution afrikanischer Kulturgüter sollen Teil des Projektes sein.

Dazu haben wir uns in Berlin auf die Suche nach Spuren der deutschen Kolonialzeit gemacht, weil dort 1885 die Kongo- oder Berlinkonferenz stattfand, auf der Afrika unter den europäischen Mächten verteilt wurde. Aus dieser Zeit gibt es noch reichlich Spuren in Museen, in Form von Straßennamen oder Stadtvierteln.


Auf Spurensuche in Berlin – Spuren der deutschen Kolonialzeit

Mit Schüler/innen des Seminarfachs „Afrika“ und den tansanischen Gästen sind Dorit Solbrig und Kurt Rausch für eine Woche nach Berlin gefahren. Einen Projektantrag dazu hatten wir von der Bingo-Umweltstiftung genehmigt bekommen. Zusätzlich wurden wir vom Hildesheimer Bundestagsabgeordneten Bernd Westphal in den Bundestag eingeladen.

Berlin war für alle Beteiligten ziemlich aufregend. Von unserem Hostel nahe dem Alexanderplatz sind wir mit allen verfügbaren Öffies quer durch Berlin gefahren und haben nur einmal jemanden verloren, der aber nach einer guten halben Stunde wiedergefunden wurde.

Besuch des Museums für Naturkunde

Neben dem Präsentieren von Berlin als Hauptstadt, das die Schüler/innen des Seminarfachs für die Gäste als Stadtrundgang vorbereitet hatten, suchten wir Spuren der Kolonialzeit. Im Vorfeld waren wir da schon im Museum für Naturkunde (MfN) fündig geworden. Dort steht nämlich ein riesiger Brachiosaurus, der bei Exkursionen zum Tendaguru, einem Höhenzug im südöstlichen Tansania, von 1906 bis 1913 ausgegraben wurde. Insgesamt wurden aus dem damaligen Deutsch-Ostafrika 225 Tonnen versteinerte Knochen nach Berlin gebracht.

Glücklicherweise beschäftigt sich das Museum gerade intensiv mit diesem einzigartigen Exponat und so konnten wir an zwei Tagen unter der Leitung von Dr. Ina Heumann (Historikerin am MfN und eine der Buchautorinnen) und Mathias Zilch (Biologe am MfN) Seminare zur Biologie, zur Auffindegeschichte und zum weiteren Umgang mit Brachiosaurus brancai durchführen.

Kolonialer Rundgang

Außerdem hatten deutsche und tansanische Schüler einen Kolonialspaziergang durch das Zentrum von Berlin vorbereitet, auf dem deutlich wurde, wie Berlin und das Deutsche Reich in der Kolonialzeit agierten und wo davon noch Spuren zu finden sind.

In der Mohrenstraße z. B., die eine Querstraße der Friedrichstraße ist, wurden ab 1683 nach der Gründung von Groß-Friedrichsburg (heute Princess Town in Ghana) unter dem brandenburgischen Großfürst Friedrich Wilhelm I. Sklaven nach Berlin gebracht. Deutsche Kapitäne bekamen die Anweisung „Schätze und Schwarze“ zu bringen, Brandenburg sollte Seemacht werden und dafür Handel mit Kolonialwaren und Menschenhandel betreiben. Verweise auf die Namensgebung fehlen allerdings und führen alljährlich zu Demonstrationen mit dem Ziel der Umbenennung.

Weitere Stationen waren die ehemalige Bethlehemkirche, als erste Missionsschule, der Standort des ersten Sarottihauses, die Wilhelmstraße 77, wo die Kongokonferenz stattfand, die Mauerstraße 44, wo das Kommando der Schutztruppen residierte, die Humboldt-Universität, wo Rudolf Virchow anthropologische Untersuchungen an Skeletten aus den Kolonien durchführte – die Skelett- und Schädelsammlungen gibt es übrigens noch heute.

So konnte genug Informationsmaterial für die weitere Arbeit im Seminarfach gesammelt werden.

Besuch des Afrikanischen Viertels

Des Weiteren gibt es in Berlin auch ein Afrikanisches Viertel im Stadtteil Wedding, was aber nicht so heißt, weil da besonders viele afrikanischstämmige Menschen leben, sondern weil Carl Hagenbeck vor dem Ersten Weltkrieg für den heutigen Volkspark Rehberge eine seinem Hamburger Tierpark ähnliche Anlageplante, in der er unter anderem Tiere und Menschen aus den damaligen deutschen Kolonien auf dem afrikanischen Kontinent präsentieren wollte. Der Krieg verhinderte diese Pläne, aber die Straßennamen waren bereits vergeben, sodass sie bis heute existieren.

Kontroversen gibt es bis heute um die Namensgebung im Viertel. Insbesondere die nach Akteuren des Kolonialismus benannten Straßen, wie die Lüderitzstraße, die Petersallee und der Nachtigalplatz, sind immer wieder Ziel von Initiativen zur Umbenennung. Sie werden von Kritikern als Relikte aus der Zeit des Imperialismus und Kolonialismus, als diskriminierend gegenüber den Afrikanern und daher als problematisch angesehen (https://de.wikipedia.org/wiki/Afrikanisches_Viertel).

Dazu haben wir an einer spannenden Führung des Vereins Berlin-Postkolonial unter der Leitung von M. S. Mboro (der aus Tansania stammt und seit den 1970er Jahren in Berlin lebt und arbeitet) teilgenommen.